Sunday, November 27, 2005

Einen schönen Advent...


Ja, jetzt ist sie wieder da, die Zeit der hunderttausend Lichtlein.

Ich muß gestehen, ich liebe den Duft von Glühwein auf tumultösen Weihnachtsmärkten. Ich mag den Geschmack von Apfel und Zimt bei Kerzenschein. Ich kann nicht genug kriegen von Atemwölkchen, die zwischen hochgeschlagenen Krägen und zehnfach gewundenen Schals irgendwie immer noch ihren Weg finden. Ich bin verrückt nach geschmackvoll geschmückten Christbäumen, üppig ausstaffierten Krippen und fettleibigen Engelchen. Und wenn ich in diesem Jahr "White Christmas" zum achthunderttausendsten Mal höre, dann habe ich dieses Lied trotzdem noch nicht satt. Ich mag sogar das unüberschaubare Gewusel in den Fußgängerzonen an den Adventssamstagen. Ich bekenne offen: Ich bin leichte Beute für jegliche Art vorweihnachtlicher Emotionsbeschleunigung.

Langsamer wird mein Herz und stiller mein Blut nur, wenn meine Schritte mich weg vom Strom in das Innere einer Kathedrale, Kirche oder Kapelle lenken, wenn ich von der Stille empfangen werde wie von einem ganzen Hofstaat, wenn ich meine Finger in ein Weihwasserbecken tauche, wenn ich vor dem Tabernakel eine Kniebeuge mache, wenn ich mich in eine knarzende Holzbank setzte, mich bald darauf hinknie, mich bekreuzige, die Hände falte und erst einmal einen Klassiker aus dem reichen Gebetsschatz der Heiligen Katholischen Kirche abschicke. Und dann horche ich so ein bißchen in der Gegend herum, höre draußen knallende Absätze, furzende Mofas und schwatzendes Volk und drinnen... nichts.

Ist es nicht eigenartig? Dort, wo das Herannahen der Geburt des Heilandes den größten Effekt zu haben scheint; dort, wo das Leben in so ziemlich jeder denkbaren Variante pulst und dröhnt; dort, wo jeder der fünf Sinne in reichem Maße bedient werden kann; dort findet man zugleich auch all jene Auswüchse, die Weihnachts-Kritiker - seien sie Christen oder Atheisten - immer gerne anführen, um die Menschen zum "Umdenken" oder zur "Umkehr" oder manchmal gar zur "Abschaffung (des Weihnachtsfestes)" zu bewegen.

Und dort, wo das Herannahen eben jener Geburt den größten Effekt haben sollte, findet man Stille und Menschenleere.

Heißt das, daß wir nun entweder kleine Weihnachtsmärkte in unseren Kirchen aufstellen oder den Vorweihnachtsrummel abschaffen müssen? Ich zucke ein wenig zusammen bei dem Gedanken, daß es Leute gibt, die eine von beiden Möglichkeiten mit "Jau, unbedingt!" beantworten könnten.

Holzweg, Freunde! Bei allem Kommerz-Overkill ist zumindest mir klar, daß es sehr viele Menschen gibt, die gerne schenken, die klug schenken und die sich immens am erfreuten Gesichtsausdruck eines Beschenkten ergötzen können. Ebenso, wie es viele Leute gibt, die sich gerne beschenken lassen, und sei es nur wegen des Auspack-und-Überraschungs-Thrills. Und wenn der Heilige Abend eine Gelegenheit bietet, beide Seiten zusammenzuführen, dann soll das mal schön so bleiben. Und ich bin mir sicher, daß die Kirche auch andere Wege der Anbiederung an den "Zeitgeist" oder das "21. Jahrhundert" oder das "Nicht-mehr-Mittelalter" finden wird, ohne gleich dicken Budenzauber bieten zu müssen.

Für diejenigen, die etwas abseits von der Mitte aber noch nicht am äußeren Ende des Spektrums stehen, ist die Lösung ganz einfach: Geht in die Kirche! Gerade in der Adventszeit kann das eine ausgesprochen wertvolle Erfahrung sein. Diejenigen, die schon lange nicht mehr einer Heiligen Messe beigewohnt haben, werden plötzlich auf alte Lieder und Bräuche stoßen, die ihnen das Gefühl geben, gute, lang vermißte Freunde wiederzutreffen. Diejenigen, die so gut wie nie oder tatsächlich noch nie praktiziert haben, werden feststellen, daß es eine Welt in der Welt gibt, die nicht von der Welt ist.

Ich weiß, Ihr habt Eure eigenen Schädel von variierender Dickheit. Aber wenn Ihr wissen wollt, wie es schmeckt, dann müßt Ihr es selbst probieren. Sonst werdet Ihr ewig vom Katholizismus reden, wie ein Priester vom Sex.

Alles Liebe,
Alipius

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