Monday, June 29, 2009

Der Bischof von Basel über das Konzil

Mehr Ehrlichkeit bitte!

In den vergangenen Wochen ist von journalistischer, aber auch von pastoraler Seite viel über Papst Benedikt geurteilt worden. Darunter befand sich auch viel Halbwahres, Unwahres und Verleumderisches. Der schlimmste Vorwurf behauptet, der Papst wolle hinter das Zweite Vatikanische Konzil zurückgehen. Ein solcher Vorwurf ist deshalb schlimm, weil er unterstellt, der Inhaber des universalkirchlichen Lehramtes würde die Autorität eines Konzils untergraben. Ein solches Urteil ist aber völlig verfehlt. Benedikt XVI. hat bereits als junger Theologe viel zum Konzil beigetragen. Wer ihn jetzt als Papst nicht nur aus den Medien wahrnimmt, sondern auch liest, was er sagt, wird feststellen, dass er sein ganzes Lehramt am Konzil orientiert. Wie muss man dann aber den genannten Vorwurf verstehen?

Nicht wenige haben eine Petition für eine uneingeschränkte Anerkennung des Konzils unterschrieben. Bereits diese Formulierung irritiert mich, weil ich niemanden - mich eingeschlossen - kenne, auf den dieses vollmundige "uneingeschränkt" zutreffen würde. Es mag genügen, einige willkürlich ausgewählte Beispiele zu nennen:
  • Das Konzil hat das Latein in der Liturgie nicht abgeschafft. Es hat vielmehr betont, dass im römischen Ritus der Gebrauch der lateinischen Sprache, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht, erhalten bleiben soll. Wer von den lautstarken Konzilsverteidigern hält sich daran "uneingeschränkt"?

  • Das Konzil hat erklärt, die Kirche betrachte den Gregorianischen Gesang als "den der römischen Liturgie eigenen Gesang" und er müsse deshalb "den ersten Platz einnehmen". In welcher Pfarrei wird dem "uneingeschränkt" nachgelebt?

  • Das Konzil hat die staatlichen Obrigkeiten ausdrücklich gebeten, freiwillig auf geschichtlich zugewachsene Rechte auf Mitwirkung bei Bischofswahlen zu verzichten. Welcher Konzilsverteidiger setzt sich "uneingeschränkt" dafür ein?

  • Das Konzil hat das Wesen der Liturgie als Feier des Pascha-Mysteriums und das Opfer der Eucharistie als "Vollzug des Werks unserer Erlösung" bezeichnet. Wie ist damit meine Feststellung zu vereinbaren, die ich in verschiedenen Pfarreien machen muss, dass der Opfergedanke völlig aus der liturgischen Sprache verschwunden ist und die Messe nur noch als Mahl oder "Teilen des Brotes" gesehen wird? Mit welchem Recht beruft man sich für diese schwerwiegende Veränderung auf das Konzil?

  • Wohl kein zweites Amt hat das Konzil derart neu gewichtet wie das Bischofsamt. Wie ist damit die weitgehende Relativierung dieses Amtes in der Kirche in der Schweiz unter Berufung auf das Konzil zu verstehen – so wenn z.Bsp. Hans Küng den Bischöfen ein Lehramt überhaupt abspricht und ihnen nur das pastorale Amt der Leitung lässt?
Diese Litanei liesse sich unschwer verlängern. Sie dürfte auch so zeigen, warum ich in der heutigen Auseinadersetzung um das Konzil mehr Ehrlichkeit einfordere. Statt anderen, zumal dem Papst, vorzuwerfen, hinter das Konzil zurückgehen zu wollen, wäre man gut beraten, über die eigenen Bücher zu gehen und zu überprüfen, wie man selbst zum Konzil steht. Denn nicht alles, was nach dem Konzil gesagt und getan wird, ist bereits deshalb nach (=gemäss) dem Konzil – auch im Bistum Basel nicht. Die vergangenen Wochen haben mir jedenfalls gezeigt, dass ein Hauptproblem in der gegenwärtigen Situation eine fehlende und teilweise sehr einseitige Aufnahme des Konzils ist – auch bei Katholiken und Seelsorgenden, die das Konzil „uneingeschränkt“ verteidigen. Diesbezüglich haben wir alle – mich wiederum eingeschlossen – noch einigen Nachholbedarf. Deshalb nochmals meine dringliche Einladung: Mehr Ehrlichkeit bitte!

+ Kurt Koch
Bischof von Basel

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