Thursday, January 14, 2010

Wir arbeiten dran...

Heute in der Kirchengeschichte-Vorlesung war die Französische Revolution dran. Die war ja nun nicht nur für die Katholische Kirche im besondern und die Religion im allgemeinen ("Kult der Vernunft" - selten so gelacht!) sondern zum nicht geringen Teil auch für eben die hochgelobte, ja angebetete Vernunft hin und wieder ein Fausthieb in die Magengrube.

Unser Professor vollzog schon in der letzten Woche alle möglichen Windungen und Biegungen, um z.B. einen Voltaire noch so eben als großen Namen der Aufklärung durchgehen lassen zu können und ihn nicht aufgrund seines sich - wenn es gegen die Kirche ging - umgehend manifestierenden, irrationalen Hasses auch nur als einen weiteren Verschleierer, Demagogen, Polemiker und Wirrkopf hinstellen zu müssen.

Heute dann wie gesagt die Revolution und deren Auswirkungen bzw. Feldzüge, welche ja bis 1799 so erfolgreich verliefen, daß kühne Weltverbesserer (nach Entführung und Tod des Papstes und Versprengung des Kardinalskollegiums in alle Welt) schon mal die Sektflaschen entkorkten und auf die Auslöschung nicht nur des Papsttums sondern gleich der gesamten Katholischen Kirche anstießen.

Unser Professor: "Hätte Voltaire damals noch gelebt, er hätte vor Freude über den anscheinenden Untergang der Kirche und die Entchristianisierung Frankreichs mit angestoßen."

Tja, ich bin sicher, wenn Voltaire sich heute nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa umsähe, er bekäme sich kaum noch ein vor Freude. Nicht etwa, weil die Vernunft gesiegt hätte, sondern weil seine Art der Vernunft gesiegt hat: Kampf gegen jede Autorität (außer gegen die Eigene), Kampf gegen jede Intoleranz (außer gegen die Eigene), Kampf für die Freiheit (außer für die Freiheit derjenigen, die vermutlich der Meinen im Wege stehen könnten). Und - natürlich - weil die Entchristianisierung es sich so richtig bequem gemacht hat im guten, alten Kontinent. Auch dafür muß sich die "Emotionen sind besser als Argumente"-Fraktion verantworten, tut sie aber nicht, weil es ihr so natürlich äußerst recht ist.

Seit das Gemeinwohl (verstanden als ein Wohl, an welchem viele Personen teilhaben können, ohne daß es gemindert oder aufgeteilt wird) nur noch als abendländisch vorbelastete Vokabel mit erhöhtem Christentums-Verdachtsmoment ein Schattendasein fristet und stattdessen der als Gemeinwohl verkleidete Individualismus uns glauben machen will, daß tatsächlich jeder immer alles darf, so lange es nicht Schwarz auf Weiß verboten ist oder so lange man diese Verbote durch die normative Kraft des Faktischen schwächen oder gar aushebeln kann, seitdem befindet sich der Katholizismus in Europa auf dem Rückzug.

Denn gemäß der neuen Definition von Gemeinwohl ist ja zum Beispiel das Gemeinwohl von Eheleuten nicht mehr "die Liebe, die Treue, die Ehrerbietung, die Dauerhaftigkeit ihrer Verbindung bis zum Tod" [JPII, Brief an die Familien, §10, 1994], sondern das, was ich bis zur Scheidung rausholen kann (falls eine Ehe überhaupt noch geschlossen wird). Daß auf diesem wackligen, schwach gebundenen Fundament eine Gesellschaft nicht stehen kann, ist klar.

Sicher, auch dieses Modell erlaubt gelungene, erfolgreiche Existenzen, bei denen alles genauso verläuft, wie sie es sich ausgemalt haben. Aber dieses Modell stellt keine gelungenen Bindungen her, weder zwischen Eheleuten, noch zwischen Eltern und Kindern, noch zwischen Lehrern und Schülern, noch zwischen Chefs und Malochern, noch zwischen Priestern und Gläubigen. Wer es gewohnt ist, bei jedem Anzeichen von Schwierigkeiten eher gegen das Prinzip vorzugehen als in sich selbst zu schauen und nachzuforschen, ob sich wegen eines größeren Zieles das Tragen des Kreuzes nicht vielleicht rentiert, wird sich zwangsläufig schon dann im Recht fühlen, wenn die Frage nach dem Recht noch nicht einmal gestellt ist und die ganze Debatte noch auf dem Level des Nutzens geführt wird.

Und das führt uns dann eben zur Entchristianisierung Europas. Wer angesichts von der Katholischen Kirche geäußerter unangenehmer Sätze lieber so tut, als existiere Gott nicht oder als habe seine Existentz keine wirkliche Bedeutung (Die "Dann tret ich eben aus und meditiere im Wald"-Bande), wer darüberhinaus den Ball sofort zurückwirft und - anstatt über die ausgesprochenen Sätze nachzudenken - der Kirche hysterisch-groteske bis übertrieben-närrische Anschuldigungen entgegenschleudert, der offenbart viel zu viel Ungelassenheit, als daß ich dies nicht seinem ins Mark getroffenen Gewissen zuschreiben könnte. Aber: Die Lösung ist ja eben nicht der reinigende Blick nach Innen, sondern die Mobilmachung gegen das Prinzip.

Ein Teufelskreis - im wahrsten Sinne des Wortes - an dessen Ausweitung wir munter weiter arbeiten. Oder, in diesem Fall: ... an dessen Ausweitung sie munter weiter arbeiten. Denn ich habe daran keinen Anteil und werde daran keinen Anteil haben, auch wenn es mich vielleicht irgendwann einmal viel kosten wird.

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