Sunday, May 23, 2010

Der ist so gut...

... den versteht sogar ein Gaul!

Ich war heute bei einer schönen Pfingstliturgie im Schottischen Kolleg (wo ich ja von 2005-2007 untergebracht war). Danach gabs Apertiviti und ein anständiges Mittagessen. Zudem ist das Wetter prima. Ich bin also gut genug gelaunt und habe genug Espresso im Blut, um folgene Perle gebührend zu würdigen:

Auf Meedia - Deutschlands Medienportal gibt es das Blog Medienzirkus - Notizen am Rande der Manege. Dort schreibt Stefan Winterbauer über "Print, TV, Internet und den digitalen Wandel". Normal.

Interesasnt wird es aber, wenn sich thematische Schnittmengen ergeben und plötzlich - aufgrund mangelnder Erfahrung mit dem Sujet - aus "schreiben über..." so etwas wird, wie sich demütig in den Dienst der Aufklärung (der alten, wohlgemerkt) stellende Polemik, Beschimpfung, Weltverschwörungspanik und Schwindelei.

Nicht, daß dies ein neues Phänomen wäre. Aber da sich diesmal das Vatican Magazin am Empfänger-Ende des Gewehrlaufes befindet, und da ich erstens dieses Magazin mag und zweitens die von mir hoch geschätzte Co-Blogoezesanin Elsa für dieses Magazin schreibt, empfinde ich den Artikel
    "Vatican Magazin: krude Kirchen-Wundertüte"
defaultmäßig als dümmlich-antikatholisch und dazu auch noch ehrenrührig.

Der erste Absatz sagt eigentlich schon mehr, als man je wissen wollte:
    Es gibt im Pressewesen die eine oder andere Blume, die im Verborgenen blüht. Aber auch das eine oder andere faulige Gewächs. Zur zweiten Kategorie gehört das Vatican Magazin. Untertitel: "Schönheit und Drama der Weltkirche". Die monatliche Zeitschrift, deren Redaktion unweit des Petersplatzes in Rom sitzt, verbreitet unter dem Mantel krampfhafter Lockerheit reaktionäres Kirchen-Gedankengut. Das Vatican Magazin erlaubt einen erschreckenden Blick in eine katholische Parallelwelt.
Natürlich wird auch der geneigte Leser nicht wissen, ob er lachen oder weinen soll.

"... katholische Parallelwelt"?

Ein Magazin mit 5.000-er Auflage...

"Parallelwelt"
...

Wahrscheinlich hat der Autor mal irgendwo das Wort "Parallelgesellschaft" gehört. Jetzt (und zwar genau jetzt, wo es um bzw. gegen die Katholische Kirche geht, und nicht etwa bereits zu dem Zeitpunkt, als der Begriff "Parallelgesellschaft" tatsächlich eine beunruhigende Bedeutung bekam) sieht er die aufgeklärten, frei denkenden Menschen aller Länder aufgrund der erschreckend hohen Verbreitung der ultrapapistischen Kampfpostille dermaßen in Bedrängnis, daß er lieber mal gleich von einer "Parallelwelt" spricht.

Hier ein paar Kalauer im einzelnen:
    So darf der Chefredakteur des Online-Magazins "The European", Alexander Görlach, ausgerechnet den als Speerspitze der Kirchen-Reaktionäre geltenden Schriftsteller Martin Mosebach interviewen. Mosebach bleibt seinem Ruf treu und gibt ganz eigene Ansichten zum besten, woran es denn nun "wirklich" liegen könnte, dass die katholische Kirche reihenweise von Missbrauchs-Skandalen überrollt wird.

    Mosebachs These: Das zweite Vatikanische Konzil ist Schuld. Die Verlotterung der "priesterlichen Disziplin" lasse einen Priester auf seinem "schwierigen und einsamen Lebensweg" allein. Mosebachs Rezept: "Die Zügel der Disziplin im Sinn des Konzils von Trient wieder anziehen und zu einem Priestertum der katholischen Tradition zurückkehren." Mit der hoch umstrittenen Pius-Bruderschaft, die u.a. durch antisemitische Tendenzen aufgefallen ist, geht Mosebach sehr wohlwollend um. Die Kirche schulde der Pius-Bruderschaft zuerst einmal Dankbarkeit, weil sie das historisch wichtigste Gut der Kirche, in Mosebachs Augen die Liturgie, bewahrt und am Leben erhalten habe.
Erstens: Nirgendwo gibt Mosebach im Interview dem Konzil die Schuld. Er spricht von den Phänomenen der direkten Nachkonzilszeit und legt hier sehr genau den Finger in sehr schmerzhafte, reale Wunden. Zweitens: Mosebachs Aussage über die Piusbrüder geht noch weiter und es wundert nicht, daß der Autor "vergaß" seinen Lesern den ganzen Text zu servieren: "... und zu dieser Dankbarkeit gehört auch, daß sie [die Kirche] sich bemüht, sie [die Piusbruderschaft] aus mancherlei Verwirrungen und Radikalisierungen wieder herauszuführen.“ Solche Unterlassungen sind natürlich journalistisches Comme-il-faut, aber das macht die Billigkeit nicht erträglicher.

Jetzt bitte anschnallen:
    Eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den aktuell hochgespülten Missbrauchsfällen findet nicht statt. Schuld sind im Zweifel "die anderen". Medien, das Internet, Pornos, das zweite Vatikanische Konzil oder, wenn gar niemand sonst mehr zur Verfügung steht, der "Fürst der Finsternis".
Weder wundert es mich, noch werfe ich es dem Autor vor, daß seine Beziehung zum "Fürst der Finsternis" eine höchst problematische ist. Das erklärt auch, wie er auf die Idee kommen kann, das Vatican Magazin sehe die Schuld im Zweifel bei den "Anderen".

Weiter geht's:
    Es gibt ein "Manifest wider die Treibjagd der Medien", in dem mit vielen Substantiven und verschachtelten Satz-Konstruktionen das Zerrbild einer übersexualisierten Gesellschaft gezeichnet wird. Der Ekel vor diesem Porno-Zeugs hält den Autoren freilich nicht davon ab selbst zu "recherchieren", dass ein Sado-Maso-Stammtisch selbstgedrehte Pornos bei einem einschlägigen Internet-Portal einstellen will.
Und das ist wirklich skandalös! Beweist doch der Autor selbst, daß man am besten über Dinge schreiben und urteilen sollte, mit denen man sich nicht im geringsten beschäftigt hat. Somit ist ein Sich-Einlassen auf die Materie natürlich höchst anrüchig.

Es gibt noch andere Lach-Nummern, aber ich denke, Ihr habt die grobe Richtung erkannt. Daher nur das Fazit des Autors:
    Fassen wir zusammen: Wer die katholische Kirche oder, Gott behüte, den Papst kritisiert ist entweder ein Pornograf, Nazi, Kommunist, des Teufels oder alles zusammen. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte das Vatican Magazin glatt als Real-Satire durchgehen.
Die Vorlage lasse ich mal laufen, da ich meinen Lesern genug vertraue, sie direkt und sehenswert zu verwandeln.

Wow! Was für ein schlechter Artikel!

6 comments:

. said...
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Raphaela said...

Tja, lieber Herr Winterbauer. Sie haben gerade dem ach so gräßlich realsatirsichen Vatican-Magazin zu einer zusätzlichen Abonnentin verholfen. Ich habe nämlich gerade ein gratis-Probeheft herumliegen, noch nicht alles gelesen, aber bisher nur den besten Eindruck bekommen, und beim Vergleichen des tatsächlichen Inhalts mit Ihren wüsten Verzerrungen kann ich nur sagen: Es reicht, jetzt erst recht: die sechzig Euro Jahresabo sei dem Laden herzlich vergönnt.

Sie hingegen werden auf Ihrem Internetportal und in Ihrem Blog ohne mich als Leserin auskommen müssen und können sich meinetwegen zum... Kuckuck scheren. (Denn den Fürst der Finsternis wünschen wir in dieser katholischen "Parallelwelt" niemanden an den Hals, nicht einmal Leuten Ihres Schlags. Wir beten höchstens, daß Sie vielleicht doch irgendwann einmal damit aufhören, Sich dem Heiligen Geist, den wir heute besonders feiern, mutwillig zu verschließen.)

So. Wo war jetzt gleich das Bestellformular fürs Abo...

. said...
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. said...
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Anonymous said...

Lieber hochwürdiger Herr Alipius!

Also, ich oute mich stolz als Mitglied und Mit-Financier dieser katholischen Parallelwelt, bin ich doch auch und gern Abonnent des Vatican-Magazins.

Was den Herrn Wie-heißt-der-noch? angeht, in Zeiten des Internet besteht die angemessene Rache wohl darin, dafür zu sorgen, daß dieser Bastard aus Dummheit und Tollwut, dieser sogenannte Kommentar, nicht in den elektronischen Orkus fährt, sondern immer schön bei Google in der Suche auftaucht und auch sonst froh im Netz zirkuliert - mit voller Nennung des Verfassers und seiner Profession, auf daß das recherchierende Publikum ja nicht im Zweifel sei ob der Fähigkeiten des Verfassers ...

"Bigamie trägt ihre Strafe schon in sich: Zwei Schwiegermütter."

(Winston Churchill zugeschrieben)

Zwetschgerich

Anonymous said...

Ich habe das Heft gelesen, und zwar zweimal sehr gründlich.
Hat der Kritikus den Artikel von Manfred Lütz nicht gelesen oder nur nicht verstanden? Die dritte Möglichkeit wäre, daß er ihn böswillig verschwiegen hat, aber das kann ja wohl nicht sein, oder?
Ach, übrigens... wenn ein Katholik über das Zweite Vatikanische Konzil schreibt, dann meint er eben nicht "die anderen". Sondern einen wesentlichen Teil des Katholizismus. (Meinen, wenn auch laienhaften, unjournalistischen Informationen zufolge war der Initiator des Vat. II Katholik.)